Sinne
Sehen (visuelle Orientierung)
Das Hauskaninchen unterscheidet sich heute in mancher Hinsicht von der
Wildform. So haben sich neben dem Äußeren und dem Gewicht einiger Rassen
vor allem die Sinnesleistungen und damit verbundene Organe mittlerweile
beträchtlich verändert. Diese Veränderungen sind vor allem durch das Fehlen des
Überlebenskampfes, der Bewegung sowie der nötigen Nahrungsbeschaffung
bedingt. So ist das Gehirn des Hauskaninchens um ca. 22% leichter als und
zudem noch wasserhaltiger als das der Wildform, das Rückenmark ist um ca. 4%
leichter als beim Wildkaninchen. Vor allem das Auge als Sinnesorgan ist mit einem
Gewichtsunterschied von etwa 21% zugunsten des Wildkaninchens mit betroffen
(Nachtsheim, et al., 1977). Die Ohren sind, je nach Rasse, gegenüber den ca. 7
cm des Wildtieres entweder sehr viel länger oder kürzer, das Hörvermögen ist
insgesamt schlechter. Ebenso verschlechtert hat sich der Geschmackssinn,
belegbar durch die Verringerung der Geschmacksknospen auf der Zunge. Je
nach Interpretation werden zwischen 5-13 Sinnen unterschieden, im allgemeinen
Sprachgebrauch sind es fünf:
•
Sehen, visuelle (optische) Orientierung
•
Hören, auditive (akustische) Orientierung
•
Riechen, olfaktorische Orientierung
•
Schmecken, gustatorische Orientierung
•
Tasten, taktile Orientierung. .
Die Augengröße und -
anordnung sind typisch
für ein Tier, welches
permanent seine
Umgebung beobachten
muss. Die
Regenbogenhaut (Iris)
bildet die Pupille und
reguliert den Lichteinfall
(Adaptation). Ihre
Pigmentierung
bestimmt die
Augenfarbe. Der
Innenraum des
Augapfels enthält den
Glaskörper (Corpus vitreum) sowie die Linse (Lens) und wird in zwei
Augenkammern (Camera anterior und posterior bulbi) unterteilt. Das Auge des
Kaninchens weist einige Besonderheiten auf. So mündet der Sehnerv nicht in den
unteren, sondern in den oberen Bereich des Auges, weshalb der blinde Fleck auf
den Boden gerichtet ist (im Gegensatz zum Menschen). Es verfügt über keine
Sehgrube, dafür aber über ein drittes Augenlid, welches das große Auge bei
Gefahr zusätzlich vor Verletzungen schützt. Das binokulare Sehen
(Tiefenwahrnehmung bzw. räumliches Sehen) ist sehr eingeschränkt, weil die
Augen seitlich am Schädel sitzen. Nur nach vorn in einem relativ nahen Bereich ist
eine Tiefenwahrnehmung, wie wir als Menschen sie kennen, möglich. Die
Anordnung der Augen und die damit verbundene Sehleistung sind typisch für
Fluchttiere, die ein großes Gebiet grob überschauen müssen. Bei Raubtieren sind
die Augen für ein besseres räumliches Sehen vorn am Kopf und eng beieinander
angeordnet. Dies ermöglicht ihnen die präzise Jagd. Da die Augen relativ weit
oben am Kopf liegen, kann das Kaninchen auch den Luftraum gut erfassen, was
in freier Natur die Entdeckung von geflügelten Beutegreifern erleichtert.
Die Augen des Kaninchens liegen seitlich (lateral) am Kopf und treten weit aus der
Augenhöhle (Orbita) hervor. Dadurch verfügen die Tiere über ein sehr weites
Gesichtsfeld.
In der folgenden Grafik ist der Sehbereich des Wildkaninchens dargestellt. Jedes
Auge für sich erfasst einen Winkel von 170,5° zusätzlich erfassen beide Augen
gemeinsam nach vorn 10° und nach hinten 9°, somit gibt es praktisch keinen
blinden Bereich bzw. toten Winkel.
Bei einigen
Hauskaninchen ist
wie beim
Wildkaninchen noch
die Fähigkeit
gegeben, auch den
Luftraum zu
überwachen. Der
Mensch muss dafür
den Kopf heben, um
die Augen auf den
Himmel zu richten.
Auf Grund des Ganges der Lichtstrahlen im Auge ist die Wahrnehmung des
bewegten Netzhautbildes gesteigert, die des ruhenden Bildes aber unscharf, das
heißt, auf optische Reize in der Entfernung, die mit Bewegung verbunden sind,
reagiert das Kaninchen überaus empfindlich.
Jeder, der schon einmal versucht hat, Wildkaninchen zu beobachten, wird diesen
Fakt bestätigen können. Unbewegliche, nahe Gegenstände oder Menschen nimmt
es dagegen nur wahr, wenn es durch andere, zusätzliche Reize darauf
aufmerksam wird. Dieser Sachverhalt wird manchen Tieren in der menschlichen
Haltung zum Verhängnis, wenn zum Beispiel Gegenstände umgestellt wurden und
sie aufgeschreckt flüchten wollen. Normalerweise prüfen Kaninchen ihre Wechsel
und Fluchtwege regelmäßig, indem diese auch markiert werden. Vor allem
Jungtiere entfernen sich vom vertrauten Nest im Laufe der Zeit mit immer
größeren Abständen nicht, ohne immer wieder die Rückzugsmöglichkeit zu prüfen.
Ist diese plötzlich verstellt, wird dies optisch nicht registriert und sie prallen gegen
das Hindernis.
Bei Haustieren entspricht die Hornhautform nie dem eines regulären
Kugelsegments, weshalb der Astigmatismus beim Kaninchen normal ist. Sie
beträgt ca. 0,5-1,0 Dioptrien (Wiesner, et al., 2000). Diese Besonderheit der
visuellen Wahrnehmung wird beim Menschen als Astigmatismus bezeichnet und
stellt einen Abbildungsfehler bzw. eine Refraktionsanomalie dar. Das Wort
bedeutet übersetzt Punktlosigkeit und meint, dass die von einer Lichtquelle auf
eine Linse einfallenden Strahlen auf Grund der nicht rotationssymmetrischen
Brechkraft von Hornhaut und Linse nicht exakt auf einen Brennpunkt gebündelt
werden, sondern als Punktreihe bzw. Strich abgebildet werden. Ursachen sind
eine angeborene oder erworbene asphärische Hornhaut- oder Linsenfläche.
Gegenstände der Umgebung werden also unscharf abgebildet.
Die Größe der Augen geben einen Hinweis auf die Lebensweise des Kaninchens:
es ist vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv und verbringt in der Natur die
meiste Zeit des hellen Tages in unterirdischen Bauen. Die Anpassung an
unterschiedliche Lichtverhältnisse wird normalerweise durch die reflektorische
Erweiterung oder Verengung der Pupillen reguliert. Beim Kaninchen ist diese
Möglichkeit sehr stark eingeschränkt. Bei grellem Licht sieht es aus diesem Grund
relativ schlecht, in der Dämmerung bzw. in hellen Nächten dagegen sehr gut.
Der Tränen-Nasen-Kanal, der dem Ableiten der Tränenflüssigkeit dient, hat nur
eine Öffnung und befindet sich im Augenwinkel, der in der Nähe der Nase liegt.
Zum Schutz des sehr weit aus der Augenhöhle herausstehenden Auges verfügt
das Kaninchen zusätzlich zu den zwei Augenlidern (oben und unten) noch über
ein drittes Lid: die so genannte Nickhaut. Diese ist mit der Tränendrüse verbunden
und kann z.B. in Gefahrensituationen über das Auge geschoben werden.
Kaninchen verfügen über blau- und grünsensitive Zäpfchen auf der Netzhaut des
Auges. Dieser Blau-Grün-Dichromatismus ist eine Anpassung an die
Lichtverhältnisse in der Dämmerung und Nacht. Da Wildkaninchen vorwiegend
dämmerungs- und nachtaktiv sind, ist ein gutes Farbsehen auch nicht nötig - sie
nehmen dafür Grautöne besser wahr. Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut des
Auges sind Fotorezeptoren, die Lichtsignale aus der Außenwelt in Signale
umwandelt, welche das Gehirn verarbeiten kann. Die Stäbchen sind hauptsächlich
für das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht wichtig, während die Zapfen
(Rezeptoren) nur bei Helligkeit funktionieren und der Farbwahrnehmung dienen.
Außerdem ermöglichen sie die Kontrastunterscheidung und somit räumliche
Auflösung. Da den Kaninchen die rotsensitiven Zäpfchen fehlen, ist die
Farbwahrnehmung eingeschränkt und hat zur Folge, dass sie Rot schlecht bis gar
nicht von Grün unterscheiden können. Beides sind für sie einfach verschiedene
Grün/Gelbtöne, denn nur die grünen und blauen Zapfen werden bei Lichteinfall
angeregt - sie sind gewissermaßen "rotgrünblind", da Rot und Grün als eine Farbe
wahrgenommen wird. Damit sind sie Menschen mit Protanopie vergleichbar (Rot-
Grün-Blindheit, bei der aber die Zapfen für das Wahrnehmen von Rot das Iodopsin
für Grün enthalten). Der Mensch verfügt über drei Typen von Zapfen: Blau-, Grün-
und Rotrezeptoren. Werden alle drei Zapfenarten gleich stark angeregt, entsteht
die Wahrnehmung weiß, wird keine angeregt, schwarz. Durch die unterschiedliche
Anregung der Zapfenarten entsteht somit die Wahrnehmung der verschiedenen
Farben. Manche Tiere verfügen über eine vierte Zapfenart, mit der ultraviolettes
Licht wahrgenommen werden kann. Fast alle Vögel z. B. unterscheiden auf diese
Art sehr schnell reife von unreifen Früchten. Andere Tiere wiederum wie z.B.
Delfine oder Nachtaffen verfügen nur über einen Zapfentyp, der sie verschiedene
Grautöne wahrnehmen lässt. Dafür sind aber bei ihnen die Stäbchen sehr gut
entwickelt, was ihnen ein gutes Sehen in der Dunkelheit ermöglicht.
.
Hören (Auditive Orientierung)
Am Anfang der Entwicklung der Säugetiere existierte lediglich der
Gleichgewichtsapparat. Mit dem Verlassen des Wassers und dem Wechsel in die
geräuschvolle Atmosphäre bestand die Notwendigkeit, diese akustischen Reize zu
registrieren und zu verarbeiten. Im Verlauf der Evolution entwickelte sich das
Hörorgan immer weiter und übertrifft vor allem in Hinsicht sichtbarer Teile und
auch Notwendigkeit für das Überleben heute deutlich das Gleichgewichtsorgan.
Gemäß seiner Wichtigkeit für die Erhaltung des Lebens und die Fortpflanzung
lässt das Hörorgan das Gleichgewichtsorgan als Anhängsel erscheinen. Nach
(Berg, 1993) wird das Hör- und Gleichgewichtsorgan unterteilt: • in die
schallauffangenden Teile, dem äußeren Ohr, • die schallwellentransformierenden
Teile, dem mittleren Ohr und • das eigentliche Hör- und Gleichgewichtsorgan, dem
inneren Ohr. Gehört werden eigentlich Schwingungen bzw. Druckschwankungen
der Luft, die als Frequenz in Hertz (Hz) angegeben werden. Im Gehörgang und im
Mittelohr werden die Töne verstärkt und an das Innenohr übertragen. Je höher die
Frequenz, desto höher ist der Ton. Kaninchen hören Töne in einem
Frequenzbereich zwischen 60-49.000 Hz (Heffner, 1980), der Mensch Töne
zwischen 20- 20.000 Hz. Kaninchen hören also im oberen, hohen
Frequenzbereich Töne, die ein Mensch nicht mehr wahrnimmt. Durch die
Domestizierung bzw. Züchtung verschiedener Rassen gibt es heute die
verschiedensten Längen und Formen des schallauffangenden Teiles (dem
äußeren Ohr), so dass das ursprüngliche, sehr gute Hörvermögen der
Wildkaninchen bei einigen Rassen verloren gegangen ist. Bei "normalen"
Hauskaninchen bzw. der Wildform sind die Ohren oder Löffel in ihrer äußeren
Form schalltrichterförmig und bieten somit beste Voraussetzungen für das
Auffangen akustischer Reize bzw. deren Verstärkung. Die großen Ohrmuscheln
können unabhängig voneinander gedreht werden. Durch die Stellung und
Beweglichkeit der Ohrmuscheln erfasst das Kaninchen ohne Kopfbewegung einen
Hörraum von etwa 360°. Interessant ist die Tatsache, dass die Länge der Ohren
durch die Temperatur, also einem äußeren Faktor, in einem gewissen Rahmen
beeinflussbar ist: Wärme fördert das Wachstum der Ohren, Kälte hemmt es. Aus
diesem Grund wird die Aufzucht der Englischen Widderkaninchen mit ihren extrem
langen Ohren bevorzugt in die warme Jahreszeit, die Aufzucht der Jungtiere des
Hermelinkaninchens mit sehr kurzen Ohren in die kalte Jahreszeit verlegt
(Nachtsheim, et al., 1977).
Riechen (Olfaktorische Orientierung)
Kaninchen werden wie der Hund zu den Makrosmaten gerechnet, während der
Mensch als Mikrosmat gilt. Kaninchen besitzen nach (Kaetzke, et al., 2003) etwa
100 Millionen Riechzellen in den beiden Nasenmuscheln, dies entspricht ca.
120.000 Riechzellen pro cm² Riechschleimhaut. Der Menschen verfügt über ca.
10-30 Millionen Riechsinneszellen; ein Hund über ca. 250 Millionen Riechzellen,
ein Aal über fast 1 Milliarde. Gemessen an den Riechzellen, riecht ein Kaninchen
also fünfmal besser als ein Mensch.
Die meisten Zellen des Riechhirns sind bereits bei der Geburt voll entwickelt.
Wenn sie gerade zur Welt gekommen sind, werden Kaninchen von einem
besonderen Botenstoff zu den Zitzen ihrer Mutter gelockt - dem Pheromon
„2MB2“. Obwohl sie noch so gut wie taub und blind sind, finden sie in der kurzen
Zeit, die die Häsin zum Säugen an das Nest kommt (1-2mal am Tag für max. 2-5
Minuten) die Zitzen im Fell und trinken sich satt. Das Pheromon „2MB2“, welches
ihnen dabei hilft, ist ein Hormon und nur bei einer Art wirksam, nach von (Schaal,
et al., 2003) wurde bei Ratten und Mäusen keine Wirksamkeit festgestellt. Über
die Duftdrüsen in der Anal- und Leistenregion (Anal- und Inguinaldrüsen) werden
Duftstoffe mit Signalcharakter abgegeben. Sie dienen der Territorialmarkierung,
der gegenseitigen Erkennung sowie der Beeinflussung der sexuellen Attraktivität -
ihre Sekrete werden auf dem Erdboden beim Sitzen und mit dem Kot hinterlassen.
Weiterhin verfügt das Kaninchen über Drüsen am Kinn, die sich mit beginnender
Geschlechtsreife herausbilden. Ranghöhere Männchen bzw. Rammler entwickeln
größere Kinndrüsen als rangniedere, und zwar unabhängig von Alter und
Körpergewicht (Leicht, 1979). Außerdem verfügt das Kaninchen an der
Nasenspitze über eine rudimentäre Drüse, die Hardersche Drüse (Tränendrüse)
sowie Drüsen in Unter-/Oberlippe und der Innenseite der Backen.
Zur Prüfung von Duftstoffen in der Luft "blinzeln" Kaninchen mit der Nase, indem
sie die Falten der Nasenlöcher mit einer Frequenz von 1,5-4/Sekunde rhythmisch
anheben und senken (Kraft, 1976). Auf Grund ihrer Fähigkeit, eine große Zahl und
auch Mischungen von Gerüchen zu unterscheiden, sind Kaninchen in der Lage,
Artgenossen und Artfremde zu unterscheiden.
Für die Nahrungsaufnahme dient das Geruchsvermögen als Unterstützung -
besonders wichtig ist es aber für das Sozial- und Sexualverhalten. Der
Geruchssinn dient auch bei der Nahrungsselektion. (Niehaus, 1968) demonstrierte
dies, indem er Kaninchen ein Futter mit verdorbenen Komponenten (Pellets)
reichte. Die Tiere verschmähten die schlechten Bestandteile.
Schmecken (Gustatorische Orientierung)
Der Geschmackssinn der Kaninchen ist sehr gut entwickelt, unter anderem hilft er
dem Tier beim Selektieren der Nahrung. Es ist mittlerweile unbestritten, dass
Kaninchen, neben dem Nährstoffgehalt, ihre Nahrung auch nach dem Geschmack
auswählen. Sie unterscheiden zwischen süß, sauer, bitter und salzig, wobei die
Toleranz für Bitteres vergleichsweise hoch ist. Dies ermöglicht unter anderem
einen hohen Verzehr an z.B. Löwenzahn oder Luzernegrünmehl oder Pflanzen,
die als giftig bezeichnet werden. Die Zahl der Geschmacksknospen in der
Mundschleimhaut beträgt beim Kaninchen 17.000, während sie beim Menschen je
nach Alter bei 8000-9000 für ein Kind und bei 2000 für einen Greis liegt (O'Malley,
2008), (Eckert, 2002). Unterstützt wird der Geschmackssinn durch Geruchs-,
Temperatur-, Druck- und Schmerzsinn, wobei der Geruchssinn die größte Rolle
spielt.
Tasten (Taktile Orientierung)
Für die taktile Orientierung stehen dem Kaninchen Tastkörperchen am Ende der
Gliedmaßen sowie Tasthaare zur Verfügung. Tasthaare Das Kaninchen verfügt
neben den "normalen" Fellhaaren über Tasthaare im Bereich des Mauls. Die
Vibrissen oder Schnurrhaare, wie sie auch genannt werden, sind unter anderem
beim Zurechtfinden im Bau dienlich, da die längsten Haare der breitesten Stelle
des Kaninchenkörpers entsprechen. Durch die Tasthaare informiert sich das
Kaninchen über die physikalische Beschaffenheit seiner nahen Umgebung
insbesondere in der Dunkelheit. Gezählt wurden bei Haus- und Wildkaninchen
jeweils 17-23 Tasthaare pro Seite, beim Wildkaninchen sind sie kräftiger. Die
Länge beträgt zwischen 3-7 cm.
Die Tasthaare unterliegen nicht dem Fellwechsel. An den gut mit Blut versorgten
Wurzeln der Tasthaare enden Tastnerven. Wird das Tasthaar bewegt, überträgt
sich diese Bewegung in die mit Blut gefüllte Kapsel, in die das Tasthaar
eingebettet ist und ermöglicht den Nerven, den Reiz zu empfangen und an das
Hirn weiterzugeben.
Das Kaninchen weist in der Haut und besonders an den Enden der Gliedmaßen
Tastkörperchen auf, die das Gefühl für ein entsprechendes Objekt vermitteln. Die
Nervenendkörperchen der Haut sind nach ihren Beschreibern benannt:
•
die Merkel-Tastscheiben liegen im Epithel (Deckgewebe) oder an der
Haarwurzel und wirken als Drucksensoren,
•
die Meißner-Tastkörperchen befinden sich beim Menschen z.B. in der
Lederhaut der Fingerbeere und wirken als Berührungssensoren,
•
die Vater-Pacini-Lamellenkörperchen, welche tief in der Dermis (Lederhaut
unter der äußeren Epidermis) liegen und auf Druck und Vibration reagieren.
Zeitorientierung
Das Verhalten von Tieren richtet sich unter anderem auch nach einem Zeitsystem.
Dazu gehören die längeren Zeitabschnitte wie Geburt, Jugend, Altern und Tod mit
Rhythmen und Zyklen über Jahre wie auch die relativ kurzen zeitlichen Abschnitte
wie Tage, Wochen und Monate. Neben endogenen (inneren) wie biologisch
bedingten Einflüssen, z.B. Alterung, Hunger etc., spielen exogene (äußere)
Einflüsse eine wichtige Rolle. Dies sind unter anderem Klimabedingungen,
Temperatur und Jahreszeiten.
Das Verhalten der meisten Säugetiere wie Fressverhalten und physische Aktivität
werden durch den periodischen Wechsel von Tag und Nacht bestimmt, auch
circadiane Rhythmen genannt. Im Unterschied zur Wildform ist das
Aktivitätsmaximum der Hauskaninchen auf die Lichtstunden, also den Tag
erweitert. Wildkaninchen sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, während
Hauskaninchen durch die Domestikation ihre Hauptaktivitäten zum großen Teil in
die Tageszeit verlegt haben. Sie unterliegen heute dem Fütterungs- und
Aktivitätsmaximum des Menschen und haben sich diesem angepasst, außerdem
fehlt die natürliche Notwendigkeit des Schutzes vor Beutegreifern wie dem Fuchs,
Iltis oder Marder.
Wildkaninchen verbringen die meiste Zeit des (hellen) Tages in den Bauen,
Hauskaninchen sind allein schon durch die Haltung gezwungen, auch den Tag im
"Freien" zu verbringen. Fütterungszeiten tragen ihr weiteres dazu bei, den
Biorhythmus auf den des Halters einzustellen.
Über die Veränderung der Tagesperiodik von Hauskaninchen wird in vielen
Quellen berichtet, u. a. von (Kraft, 1978) und (Selzer, 2000). Während bei
Wildkaninchen ausgeprägte Aktivitätsmaxima in der Nacht und den angrenzenden
Stunden verzeichnet werden, sind diese bei Hauskaninchen in die Lichtstunden
verlagert. Außerdem verbringen Hauskaninchen die Ruhezeiten vorwiegend an
der Erdoberfläche, während Wildkaninchen tagsüber fast die gesamte Zeit in ihren
Bauen verbringen. In (Selzer, 2000) wurden Aktivitätsspitzen bei Wild- und
Hauskaninchen zur Zeit der Abend- und Morgendämmerung nachgewiesen.
Erfahrungen mit unseren eigenen Tieren zeigen, dass die meisten Aktivitäten im
Sommer früh zwischen 7:00 und 10:00 Uhr sowie abends zwischen 17:00 und
20:00 Uhr zu verzeichnen sind. Nachts fressen sie so gut wie gar nicht, auch der
Harn- und Kotabsatz ist sehr gering. Im Winter verschieben sich die Zeiten etwas,
bedingt durch die kürzeren Tage.
Räumliche Orientierung
In den einzelnen Lebensabschnitten der Kaninchen gibt es verschiedene
Bindungen untereinander, auch Valenzen genannt. Den ersten Abschnitt
verbringen die Jungen als Nesthocker mit geschlossenen Augen und ohne Fell
natürlicherweise im Bau, während z.B. Feldhasenjungtiere als Nestflüchter relativ
"fertig" und sofort aktiv sind. Im späteren Lebensabschnitt richten sich
Aggressionen der älteren, eingesessenen Tiere und der Mutter gegen die
Jungtiere, die sich in der Natur entweder in die Gruppe einfügen oder ein neues
Revier suchen und so zur Verbreitung der Art beitragen. Den Jungtieren fällt der
Ortswechsel leichter als den Älteren, die in der Gemeinschaft verwurzelt sind. In
der Regel geht ein Ortswechsel von weiblichen Tieren aus.
Kaninchengruppen leben in Revieren mit einer Fläche von bis zu 20ha. Dies
entspricht einem Rechteck mit den Seitenlängen von ca. 400 x 500 m Länge oder
einem Kreis mit einem Durchmesser von ca. 500 m. In diesem Revier nutzen die
Tiere feste Laufwege, auch Wechsel genannt. Wer seine Tiere in einem größeren
Freigehege hält, kann sehr gut beobachten, wie sie die verschiedenen Sinne
nutzen um zu fressen, sich in diesem Revier zu bewegen und dabei Augen, Nase
und Ohren einsetzen.
Jungtiere erkunden nach dem Verlassen des Nestes zunächst sehr vorsichtig die
Umgebung. Sie entfernen sich anfangs nicht weit vom Nest und kehren in kurzen
Zeitabständen immer wieder dorthin zurück. Später werden die Wege weiter und
die Zeitabstände immer länger. Die vertrauten Wege werden auch öfter im
schnellen Spurt zurückgelegt, um Fluchten zu üben. Auch ältere Tiere sprinten oft
scheinbar völlig grundlos über das Territorium. Dabei werden Haken geschlagen
und bekannte Hindernisse bewusst in die Laufwege einbezogen. Markante Plätze
und Gegenstände, selbst Grashalme werden zur Orientierung immer wieder
markiert. Droht Gefahr, suchen die Tiere sichere Plätze auf, an denen sie sich
verstecken.
Im Gegensatz zu Wildkaninchen, die bei kleinsten Anzeichen der Gefahr in ihre
Baue flüchten, suchen Hauskaninchen Verstecke an der Erdoberfläche auf. Das
sind selten irgendwelche Höhlen, Baue oder viel zu kleine Häuschen, wie sie der
Fachhandel anbietet, sondern eher Plätze, an die man selbst nur selten denkt und
teure Anschaffungen überflüssig machen.
Kaninchen würden Wiese kaufen
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