Wasser
(Wild-)Kaninchen nehmen normalerweise Nahrung auf, die einen hohen
Wassergehalt aufweist - im Schnitt liegt er über 70%. In Zeiten des
Nahrungsmangels suchten Wildkaninchen in Australien Wasser an Bohrlöchern und
aßen „atypische“ Nahrung wie Zweige von Sträuchern (Cooke, 1974). Sank der
Wassergehalt in der Nahrung unter 60%, waren die Tiere auf eine zusätzliche
Wasserquelle angewiesen (Richards, 1979), (Cooke, 1982a), (Cooke, 1982b).
Wildkaninchen decken ihren Wasserbedarf über das frische Grün mit entsprechend
hohem Wassergehalt, dem Tau an den Pflanzen, zur Verfügung stehenden
Wasservorkommen wie Pfützen oder Bächen und reduzieren den Bedarf durch den
Aufenthalt in kühlen Erdbauten. Auch Jungtiere benötigen zusätzlich Wasser ab dem
Zeitpunkt, wenn sie feste Nahrung aufnehmen, da die Milch der Häsin den
Wasserbedarf dann nicht mehr decken kann.
Kaninchen verfügen über keine thermoregulatorisch aktiven Schweißdrüsen,
verlieren aber trotzdem Wasser über die Haut. Bei der Regulation des Wärme- und
Wasserverlusts hilft ihnen unter anderem ihr Haarkleid. Über die Atmung wird
überschüssige Wärme abgeführt – und mit dem Atem auch Wasser. Nach (Schwabe,
1995) verliert ein 4 kg-Tier bei einer Atemfrequenz von 60/min auf diese Weise 4,2 g
Wasser/Stunde. Das ergibt über den gesamten Tag also 100 g bzw. ca. 100 ml
Wasser.
Bild: Ein junges Hauskaninchen bei der Wasseraufnahme, obwohl es in
Freilandhaltung mit ausreichendem Angebot an frischem Grünfutter lebt
In der Literatur finden sich oft Angaben zum Wasserhaushalt von Kaninchen, denen
als Grundnahrung Trockenfutter zur Verfügung steht. Als Richtwert für den
zusätzlichen Wasserverbrauch wird für Kaninchen in der Regel ein 2 2,5facher Wert
der Trockensubstanz angegeben. Das heißt, das Verhältnis für Wasser : TS sollte 2-
2,5 : 1 betragen. Ähnlich wie beim Menschen wird bei Kaninchen angenommen,
dass sie mit der zusätzlichen Aufnahme von Wasser einen physiologischen Bedarf
befriedigen, nämlich ein Durstgefühl löschen, welches durch verschiedene Stoffe
bzw. ihrem Fehlen in der Nahrung oder einem körperlichen Zustand entsteht. Dass
Hauskaninchen aber eine zusätzliche, adäquate Wassermenge bei einer Fütterung
mit trockener Nahrung wie Heu oder Trockenfutter nicht aufnehmen, ist mittlerweile
mehrfach nachgewiesen worden. Konkrete Untersuchungsergebnisse finden sich z.
B. bei (Brüggemann, 1937), (Schwabe, 1995) und (Wenger, 1997).
Das folgende Diagramm nach Werten von (Brüggemann, 1937) zeigt, dass nur bei
der Verfütterung von Heu zusätzlich Wasser aufgenommen wurde. Trotzdem lag die
gesamte, aufgenommene Wassermenge mit grüner Luzerne um 41% und mit frischer
Süßlupine um 135% höher. Sie betrug in diesem Fall also mehr als das Doppelte der
Wassermenge bei Fütterung mit Heu und zusätzlichem Wasser.
Gesamte Wasseraufnahme von Kaninchen, in ml/Tier/Tag, bei unterschiedlichem
Futter, ad libitum angeboten, nach (Brüggemann, 1937)
In einer Arbeit von (Bucher, 1994) mit verschiedenen Trockenfuttern, Heu und
„Grünfutter“ (Weißkohl, Grünkohl und Blumenkohlblätter) wurde auch die
Wasseraufnahme von Kaninchen erfasst. Feststellungen der Autorin lauteten, dass
das Angebot von Grünfutter und Heu für Kaninchen eine arttypische und artgerechte
Futteraufnahme darstellt, die eine Beschäftigung mit dem Futter ermöglicht und das
Risiko der Körperverfettung mindert. Das „Grünfutter“ hatte gegenüber Heu den
Vorteil, dass es eine sehr hohe Wasseraufnahme gewährleistete. Alle Tiere nahmen
täglich Trinkwasser in einem Verhältnis Wasser : Futtertrockensubstanz von ca. 2 : 1
auf, bei Aufnahme von „Grünfutter“ betrug das Verhältnis durch den hohen
Wassergehalt des Futtermittels entsprechend 5,5 : l. Die hohe Wasseraufnahme bei
Angebot des „Grünfutters“ führte auch zu deutlich größeren Harnvolumina (4-5mal
höher als in den anderen Gruppen) mit der Folge einer erhöhten Löslichkeit für
Calcium im Harn, was die Disposition für das Auftreten von Harnsteinen verringert.
Das „Grünfutter“ wird in dem Abschnitt in Anführungszeichen gesetzt, weil es sich, bis
auf Blumenkohlblätter, nicht wirklich um Grünfutter handelte, sondern um Gemüse.
So wurde es in der Arbeit an verschiedenen Stellen auch von der Autorin selbst
benannt.
Da eine Dissertation von (Schwabe, 1995) in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert
scheint, soll etwas näher auf sie eingegangen werden. Dort wurden u. a. Angaben
zur „Trinkwasseraufnahme“ von verschiedenen Autoren mit 58-135 ml/kg KM/d (d =
Tag) für Kaninchen mit Körpergewichten von 2 5 kg zitiert. Außerdem wurde auf eine
Angabe von (Kötsche, et al., 1990) mit einer Menge von 200 270 ml für Kaninchen
mit einem Gewicht von 2 kg verwiesen. Dort ist aber nicht die Rede von einer
aufgenommenen Menge, sondern von Mengen, die bei Pelletfütterung bereitzustellen
seien (S. 39). Auch die zitierte Angabe von (Schley, 1985) mit 100 ml/kg KM gibt nicht
aufgenommene Mengen wieder, sondern einen durch den Autoren angenommenen
Bedarf (S. 139). Das Versuchsfutter in der Arbeit von Schwabe bestand für
Kaninchen aus Pellets sowie roten und gelben Möhren (Gemüse- und Futtermöhren).
Eher am Rand erwähnt, aber sehr interessant, sind Feststellungen zu den Pellets,
die in einer wissenschaftlichen Untersuchung benutzt wurden: die Deklaration gab
den Rohproteingehalt mit 120 g/kg uS (uS = ursprüngliche Substanz) an, tatsächlich
betrug er 168,7 g/kg. Das entspricht einer Abweichung von 29%! Die Rohfaser war
mit 120 g deklariert, der tatsächliche Wert betrug 144,4 g/kg uS - eine Abweichung
von 17% gegenüber der Deklaration.
Der Versuchsaufbau war recht einfach mit folgenden Einstellungen:
Versuch A) Mischfutter + Wasser (ad libitum)
Versuch B) Mischfutter + Wasser + Möhren (ad libitum)
Versuch C) Mischfutter + Saftfutter (ad libitum, ohne Wasser).
Das Ergebnis der Aufnahme der verschiedenen Futtermittel entsprach ziemlich exakt
dem, was ich in der täglichen Fütterung beobachten konnte: mit dem Angebot von
frischer, wasserreicher Nahrung (in diesem Fall Möhren) ging die Aufnahme von
Mischfutter signifikant zurück, und zwar um den Betrag der aufgenommenen TS-
Menge des frischen Futters. In der Dissertation stammte ungefähr die Hälfte der
insgesamt aufgenommenen Trockensubstanz aus den Möhren. Die Aufnahme der
ursprünglichen Substanz des Saftfutters war mit 165,22 g/kg KM/d sehr hoch, was
bedeutet, dass die Kaninchen pro Tier/Tag durchschnittlich 630 g (Versuch B) bzw.
580,9 g (Versuch C) Möhren aufnahmen. Die Tiere in Versuch A wogen
durchschnittlich 4 kg, in Versuch B 3,8 kg und in Versuch C 4 kg. Der Unterschied in
der Wasseraufnahme zwischen Versuch A (Mischfutter + Wasser) und B (Mischfutter
+ Pellets + Wasser) betrug ungefähr das 2,5fache. Im Vergleich zu den
verschiedenen Literaturempfehlungen stellte die Autorin fest, dass das Verhältnis der
Wasser- zur Trockensubstanzaufnahme > 4 : 1 betrug. Trotzdem werden auch in
aktuellen Arbeiten die alten Angaben von 2 : 1 angegeben. Weitere, wichtige
Feststellungen in der Arbeit lauteten, dass: „die Wasserversorgung bei
ausschließlicher Mischfuttergabe trotz freier Tränkeverfügbarkeit nicht optimal ist.
[…] Damit ist grundsätzlich in einer Saftfuttergabe in Ergänzung eines Mischfutters
eine Optimierung der Versorgung dieser Spezies zu sehen, die in die Empfehlung zur
bedarfsgerechten Fütterung einzubeziehen sind.“.
Diese Feststellung ist insofern wichtig, weil sie einen Aspekt des Tierschutzgesetzes
berührt. Im (TierSchG, 2010), § 2 heißt es: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu
betreuen hat, 1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend
angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, …“.
Der Bedarf an Wasser liegt beim Kaninchen sehr hoch, wenn es bereits bei weniger
als 60% Wassergehalt der Nahrung anfängt, nach zusätzlichen Wasserquellen zu
suchen und versucht, seinen tatsächlichen Bedarf daraus zu befriedigen. Insofern ist
auch die Feststellung von (Böhmer, 2014) kritisch zu sehen, Heu mit einem
Wassergehalt von 10% als ein mögliches Alleinfuttermittel für die Erhaltung von
Kaninchen darzustellen, auch wenn zusätzlich Wasser bereit gestellt wird.
Wasseraufnahmen über Futter und Tränke, nach Werten aus (Schwabe, 1995)
Obwohl bereits viele Untersuchungen zum Calcium- und Phosphorstoffwechsel
sowie der (ungewissen) Auswirkungen existieren, wurde von (Burger, 2009) eine
weitere durchgeführt. Inhalt waren eventuelle Auswirkungen von Luzerne und
Getreide in Bezug auf Verkalkungen der Gewebe sowie Harnsteine. Festgestellt
wurde, dass auch bei einer Fütterung mit hohem Kalziumgehalt (reinem Luzerneheu)
über einen Zeitraum von 20 Wochen bei 40 Kaninchen keine Urolithiasis ausgelöst
werden konnte. Es wurde vermutet, dass die Wasseraufnahme eine wesentliche
Rolle in der Bildung und Nicht-Bildung von Urolithen spielt; da Wasser in dieser
Studie stets über Offentränken ad libitum verfügbar war und von den Tieren auch in
„unerwartet“ hohen Mengen aufgenommen wurde. Wahrscheinlich wurde also eine
Urolithiasis durch diese Wasseraufnahme verhindert.
(Tschudin, et al., 2010) untersuchten den Einfluss von Nippeltränken und offenen
Tränken auf den Wasserverbrauch von Kaninchen. Als Futtermittel wurden Heu,
verschiedene Trockenfutter (Körnermischung und 2 verschiedene Pelletsorten) sowie
frische Petersilie angeboten. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass Kaninchen aus
offenen Tränken mehr Wasser aufnehmen als aus Nippeltränken, da diese die
Aufnahme von genügend Wasser erschwerten. Der Trockensubstanzgehalt des Kots
war bei Wasserentzug mit Nippeltränke signifikant höher als bei der Offentränke.
Zudem würde Heu zu einer hohen Wasseraufnahme und damit auch zu einer hohen
Urinausscheidung führen und der so verdünnte Urin könnte Harnsteinen vorbeugen.
Prinzipiell versorgt eine natürliche, frische, arttypische Nahrung ein Kaninchen mit
ausreichend Wasser. Trotzdem ist in der Haltung von Hauskaninchen festzustellen,
dass sie auch bei Versorgung mit dieser Nahrung zusätzlich Wasser aufnehmen,
wenn es zur Verfügung steht. Da die Gründe nicht immer eindeutig nachvollziehbar
sind, ist es wichtig, frisches Wasser immer bereitzustellen. Als Trinkgefäße eignen
sich am besten schwere Näpfe aus Ton, die von den Tieren nicht so einfach
umgeworfen werden können.
Trinkflaschen sollten nicht nur wegen der geringeren Wasseraufnahme gemieden
werden, sondern weil sich in relativ kurzer Zeit an schwer erreichbaren Stellen Keime
ansammeln können. Ein einfaches Auswaschen der Flaschen reicht nicht, um die
Keime abzutöten oder zu entfernen, erst bei sehr hohen Temperaturen nach längerer
Zeit werden sie zuverlässig unschädlich gemacht. Vor allem im Sommer, wenn sich
das Wasser erwärmt, ist die Entstehung pathogener Keime schnell möglich. Näpfe
aus Ton können problemlos im Geschirrspüler gründlich gereinigt werden.
Eine wichtige Einflussgröße für die Wasseraufnahme bildet auch die
Wassertemperatur – vor allem im Sommer. Steigt die Temperatur des Trinkwassers
über 25°C, wird weniger getrunken. Im Sommer sollte das Wasser also täglich
mehrmals gewechselt werden. Ein weiterer, wichtiger und unschätzbarer Vorteil der
wasserhaltigen, arttypischen Nahrung des Kaninchens liegt vor allem darin, dass alle
Nährstoffe in einem natürlichen Verbund und überwiegend gelöst vorliegen. Somit
können sie leicht vom Körper aufgenommen, verwertet und bei einem Überschuss
auch wieder ausgeschieden werden.
Kaninchen würden Wiese kaufen
© A. Rühle: 2008-2022