Nahrungsselektion
Auf Grund ihrer selektiven Fressweise werden Kaninchen zu den „Konzentrat-
Selektierern“ gezählt. Dieser Begriff geht auf (Hofmann, et al., 1972) zurück, der ihn
für afrikanische Wiederkäuer prägte. Diese verfügen über mehrere Mägen. Später
wurde diese Einteilung und der Begriff Konzentrat-Selektierer auch auf Tiere in
Europa wie z. B. das Kaninchen und das Reh (Cheeke, 1987), (Cheeke, 1994), (Van
Soest, 1994) sowie Weißwedelhirsch und Elch übertragen (Behrend, 1999). Sicher
kann man auch den Hasen dazu zählen, entspricht doch die Nahrung, deren
Auswahl sowie die Fressweise und Verdauung weitgehend der des Wildkaninchens.
Der Begriff „Konzentrat-Selektierer“ bedeutet nicht, dass ein Kaninchen gern
Konzentratfutter fressen würde, sondern dass es sich aus seiner arttypischen
Nahrung jene Bestandteile auswählt, die den höchsten Gehalt an Nährstoffen
aufweisen. Bedingt durch eine relativ kurze Passagezeit der Nahrung im
Verdauungstrakt und des Fassungsvermögens fressen Kaninchen vorrangig jene
Pflanzenteile, die reich an Zellinhaltsstoffen, aber arm an Zellwandbestandteilen
(Fasern) sind. Schwer- bzw. unverdauliche, größere Teile werden schnell durch das
Verdauungssystem geschleust und nach kurzer Zeit bereits wieder als Hartkot
ausgeschieden. Leichter verdauliche, kleine Partikel hingegen wandern in den
Blinddarm und werden dort von Bakterien verwertet.
Als Monogastrier vermeidet das Kaninchen nach Möglichkeit die Aufnahme
rohfaserreicher Nahrung, da es nur sehr begrenzt über die Möglichkeit verfügt,
Cellulose zu verdauen. Wie dem Menschen fehlen dem Kaninchen Enzyme, die
diese aufspalten können. Stattdessen übernehmen diese Aufgabe Bakterien im
Darm. Diese Form der Verwertung mittels Zersetzung durch Bakterien wird auch als
„Fermentation“ bzw. „Gärung“ bezeichnet. Der Begriff „Fermentation“ beschreibt
allgemein den Abbau von biologischem Material durch Mikroorganismen wie
Bakterien und Pilzen, während für die „Gärung“ dieser Abbau explizit ohne
Anwesenheit von Sauerstoff gilt – also für den Abbau von Pflanzenfasern im
Dickdarm des Kaninchens.
Polygastrier wie z. B. das Rind mit mehreren Mägen und daraus resultierender,
längerer Passagezeit der Nahrung können Zellwandbestandteile wesentlich effektiver
verwerten. Unter Berücksichtigung der metabolischen Körpermasse beträgt der
Raum für den Gärprozess im Blinddarm beim Kaninchen nur 20% der Größe des
Pansens beim Rind. Demgemäß beträgt auch der Anteil der Faser in der Nahrung
des Kaninchens im Vergleich zum Rind nur etwa die Hälfte (Williams, et al., 1995).
Pflanzenfasern dienen dem Kaninchen nach (Cheeke, 1987) lediglich der
Darmmotilität (Eigenbewegung der Darmmuskulatur) und weniger als Nährquelle, da
die Zeit für die Fermentation im Blinddarm durch Bakterien nicht ausreicht. Im
Blinddarm werden kleinere, besser verdauliche Bestandteile durch Bakterien
verwertet und das Produkt, der Blinddarmkot, vom Kaninchen erneut aufgenommen.
Kaninchen würden Wiese kaufen
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