Darmerkrankungen des Kaninchens - die Geschichte eines Puzzles
Eines der größten Probleme in der Haltung von Kaninchen stellt die Etablierung und
Erhaltung ihrer Darmgesundheit dar. Im Vergleich zum Menschen vergeht beim
Kaninchen die Zeit von der Geburt über das Aufwachsen hin zum erwachsenen Tier
rasend schnell. Fehler in der Haltung und Fütterung, die sich über Tage oder Wochen
hinziehen, sind nur noch selten zu korrigieren. Sie beginnen in der Regel schon vor der
Geburt durch die Auswahl der Elterntiere und setzen sich fort durch ein falsches
Verständnis für die Bedürfnisse der Tiere. Wenn man der aktuellen Literatur folgt, gewinnt
man den Eindruck, dass seit 1997 eine neue Erkrankung in Kaninchenmast und -
zuchtbeständen wie auch vereinzelt in Heimtierhaltungen Einzug gehalten hat, die früher
„Mukoide Enteropathie“ und heute „Epizootic Rabbit Enteropathy“ (ERE) genannt wird.
Der folgende Artikel handelt in aller Kürze von einer langen Geschichte scheinbar
verschiedener Leiden, denen Kaninchen ausgesetzt sind - geändert haben sich aber oft
nur ihre Begrifflichkeiten.
Allgemeine Definitionen
Als „Krankheit“ werden Störungen der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten
Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw. objektiv feststellbaren
körperlichen, geistigen bzw. seelischen Veränderungen verstanden. „Enter-“ ist ein
Wortteil aus dem Griechischen mit der Bedeutung „Darm“ bzw. „Eingeweide“. Als
„Enterocolitis“ wird eine Entzündung des Dünn- und Dickdarms bezeichnet, die am
häufigsten durch bakterielle oder Virusinfektionen verursacht wird. Bei „Enteritis“ handelt
es sich um eine Darmentzündung bzw. eine entzündliche Erkrankung des Dünndarms,
die bei Mitbeteiligung des Magens „Gastroenteritis“ und bei einer Beteiligung des
Dickdarms „Enterokolitis“ genannt wird. Mit „Enteropathie“ wird ganz allgemein eine
Darmerkrankung bezeichnet (Pschyrembel, 2001). „Mukoid“ leitet sich aus dem
griechischen Wort „Mucus“ für Schleim ab. Unter der „Ätiologie“ versteht man die
Ursache der Erkrankung und unter „Pathogenese“ die Gesamtheit der Faktoren, die
ursächlich zu einer bestehenden Krankheit geführt haben. Sind mehrere Ursachen für
eine Krankheit ursächlich, spricht man auch von einer „multifaktoriellen“ Ätiologie.
Ein Puzzle und seine Teile
1976 setzte sich Whitney in einem Artikel mit der „unspezifischen Enteritis“ beim
Kaninchen auseinander und teilte sie in drei Klassen ein:
•
Enteritis mit bekannter Ätiologie, einschließlich Kokzidiose, Helminthiasis
(Wurmerkrankung), Salmonellose und infektiöse, diphteroide Enteritis.
•
Enteritis mit unbekannter Ätiologie einschließlich Schleimhautentzündung, Typhlitis
(Blinddarmentzündung), Impaktion (Verstopfung), sowie hämorrhagische und nicht-
hämorrhagische Enteritis. Diese Erkrankungen wurden vom gleichen Autor, Whitney
1970, auch als „Enteritis-Komplex“ bezeichnet.
•
Erkrankungen mit unsicherer Ätiologie, die eng mit dem Enteritis-Komplex verwandt
sind, aber mit einer Infektion mit Clostridium perfringens oder Escherichia coli
einhergehen.
Vermutet wurde, dass die Krankheiten des „Enteritis-Komplexes“ wahrscheinlich
multifaktoriell verursacht sind.
Meshorer berichtete 1976 von Ausbrüchen einer „Mukoiden Enteritis“ in der
konventionellen Zucht des Weizmann Institute of Science in Israel. Es wurde davon
ausgegangen, dass das Vorhandensein großer Mengen von Escherichia coli (E. coli) im
Darmtrakt von Kaninchen eine Voraussetzung für die Entwicklung der mukoiden Enteritis
war. Nach Zugabe von Antibiotika im Futter (Pellets) der Tiere verschwand innerhalb von
3 Monaten nach Beginn der Behandlung die Erkrankung in der Kaninchenkolonie
allmählich. Diese Technik wurde weitere 4 Jahre angewendet, ohne das ein einziger Fall
von Mukoider Enteritis mehr auftrat.
1977 fanden Cantey & Blake den E. coli-Stamm RDEC-l als ätiologisches Agens für
Durchfallerkrankungen bei Kaninchen. Die klinische Erkrankung war der, durch
enterotoxische E. coli beim Menschen in Bezug auf Inkubationszeit, Dauer der Diarrhöe
und Abwesenheit von polymorphkernige Granulozyten im Kot recht ähnlich. Der Stamm
RDEC-l ist hoch virulent, eine Schlussfolgerung, die durch die Tatsache gerechtfertigt
war, dass bereits 150 Bakterien in der Lage waren, Durchfall zu produzieren.
1981 veröffentlichten Patton & Cheeke einen kurzen Warnhinweis („precautionary note“),
der sich auf Empfehlungen des Rabbit Research Center der Ohio State University für
höhere Rohfasergehalte in Futtermitteln bezog, um die Enterotoxämie (perakut
verlaufende Vergiftungen im Darm durch Bakterien), eine der vielen Ursachen für
Enteritis bei Kaninchen, zu bekämpfen. Die Autoren beschrieben Fälle, in denen
Muttertiere als auch Jungtiere begannen, das Futter zu meiden, einen gallertartigen
Stuhlgang zu entwickeln, große Mengen Wasser zu trinken und mit den Zähnen zu
knirschen. Die Tiere starben innerhalb weniger Tage. Post-Mortem-Untersuchungen
zeigten bei den meisten eine Verstopfung im Verdauungstrakt. Entweder hatten die
Kaninchen ein sehr ballaststoffreiches Futter erhalten (22% und mehr) oder ein Futter mit
einen mäßigen Ballaststoffgehalt (15-20%) und zusätzlich Heu, Stroh oder anderes,
faserreiches Material. Kaninchenzüchter sollten bei einem Ausbruch von „Mukoider
Enteritis“ deshalb sofort damit beginnen, den Fasergehalt in ihrem Kaninchenfutter zu
untersuchen.
Lelkes & Chang, 1987 untersuchten den Blinddarminhalt von normalen Kaninchen und
solchen, die an „Mukoider Enteropathie“ (ME) erkrankt waren. Kaninchen mit ME wiesen
durchweg eine dramatische Zökaldysbiose auf, also eine Fehlbesiedelung des
Blinddarms mit Bakterien. Zökale pH-Messungen bei normalen jungen und erwachsenen
Kaninchen zeigten, dass die pH-Werte bei jungen Kaninchen grundsätzlich niedriger
waren und häufig niedrig genug lagen, um mikrobielle Veränderungen zu induzieren.
Kötsche & Gottschalk lieferten 1990 recht umfangreiche Beschreibungen verschiedener
Darmerkrankungen, über die mit der Schaffung größerer Kaninchenbestände im
zunehmenden Maße insbesondere bei Jungtieren berichtet wurde. Unter „Infektiöse
Magen-Darm-Entzündungen“ wurden diese „infektiösen Gastroenteritiden“ auf Grund des
durch Durchfälle gekennzeichneten klinischen Bildes auch als „akute Dysenterien“
bezeichnet und folgendermaßen eingeteilt:
•
infektiöse Magen-Darm-Entzündungen
•
Mukoide Enteritis
•
diphteroide Dünndarmentzündung
•
diphteroid-nekrotisierende Typhlitis (Tyzzersche Krankheit)
•
Clostridien-Enterotoxämie.
Als weitere zählten Rodentiose, Salmonellose, Rotavirusinfektion, Chlamydienenteritis
sowie Campylobacterinfektion dazu. Auf Grund einiger Besonderheiten wurde die
„Mukoide Enteritis“ von der eigentlichen „Dysenterie“ abgegrenzt: „Sie tritt im Gegensatz
zu dieser überwiegend bei erwachsenen Kaninchen auf und steht in enger Beziehung zu
Fütterungs- und Haltungsfehlern. Charakteristischer Befund ist die bei der Zerlegung
festzustellende ausgedehnte mukoide Infiltration der Dickdarmwandungen. … der
überwiegende Teil der Fälle wird im Spätherbst und Winter beobachtet und steht in erster
Linie mit Fütterungs-, daneben auch mit Haltungsfehlern im Zusammenhang.“ (Kötsche &
Gottschalk, 1990).
In einer Studie von Chiou & Chang, 1994 wurde der Einfluss von
Ballaststoffkomponenten (Cellulose, Pektin, Lignin und Luzerne) u.a. auf die
Darmstruktur von 9 Wochen alten Hauskaninchen untersucht. Verschiedene
Faserkomponenten beeinflussten die Höhe der Zotten und die Dicke der Muskelschicht
des Jejunums und des Dickdarms sowie die Kryptentiefe des Duodenums und des
Ileums. REM-Aufnahmen (Rasterelektronenmikroskop) zeigten eine signifikante
Schädigung der Zottenoberfläche im Duodenum und Jejunum durch
Ligninsupplementierung wie auch signifikante Schädigungen der Schleimhaut bei
Cellulose-, Pektin- und Luzernezulagen.
Yu & Peter, 1996 zeigten eindrucksvoll ebenfalls an REM-Aufnahmen, welchen Einfluss
die Höhe des Rohfasergehaltes im Futter auf die Morphologie der Darmwand hat.
Demnach waren die Darmzotten im Jejunum und Blinddarm bereits bei einem
Rohfasergehalt von 14,5% im Futter sichtbar geschädigt.
Guitian und Kollegen berichteten 2000 von der „Mukoiden Enteropathie“ als einer
schweren Krankheit des Kaninchens, die in Galizien (NW-Spanien) erstmals in den
letzten Monaten des Jahres 1996 und Anfang 1997 beobachtet wurde. In dieser Zeit
zeigte die Krankheit einen schweren Verlauf bei 45-50 Tage alten Tieren, wobei schwere
Tiere häufiger betroffen waren. Die betroffenen Tiere verloren ihren Appetit und wiesen
Schwellungen und schleimigen Durchfall auf, bevor sie starben. Die Merkmale und der
Verlauf deckten sich mit Beschreibungen über Ausbrüche dieser Krankheit in Frankreich
zu dieser Zeit. In den letzten Monaten 1997 waren die Verläufe weniger akut und von
anderen Darmerkrankungen nicht zu unterscheiden. Für ihre Untersuchungen nutzten die
Wissenschaftler das Futter und Nachkommen von Tieren aus kommerziellen Betrieben,
in denen die Krankheit auftrat und die sie vom Alter von 31-32 Tagen bis zur Schlachtreife
aufzogen. Zum Einsatz kamen vier verschiedene Futtersorten, von denen ein Futter
keine Antibiotika und Kokzidiostatika enthielt, während die anderen drei nur
Kokzidiostatika enthielten. Die Autoren waren nicht in der Lage, das Krankheitssyndrom
in ihrer Einrichtung durch das Einbringen von Tieren aus zwei Betrieben, die zuvor die
Krankheit gemeldet hatten, und von verschiedenen Arten kommerzieller Pellets zu
reproduzieren. Von insgesamt 142 Tieren starben 5 (3,5%) ohne Anzeichen einer
Mukoiden Enteropathie. Dazu wurde ausdrücklich angemerkt, dass die Tiere zwar wie in
einem kommerziellen Betrieb aufgezogen wurden, sich die Umweltbedingungen zu
diesen jedoch aufgrund der sehr guten Hygienepraxis, die während der gesamten
Mastperiode angewandt wurde, erheblich unterschieden. Laut den Autoren könnten die
Ergebnisse dieser Studie die Hypothese unterstützen, dass die Umwelt und ihre
Mikroorganismen eine wichtige Rolle für das Auftreten und/oder die Intensität der
Krankheit, sobald sie einmal aufgetreten ist, in kommerziellen Betrieben spielen.
Auf einer Tagung der WRSA ging Licois, 2004 auf den damaligen Forschungsstand zum
Thema der Darmerkrankungen beim Kaninchen ein, u. a. auch auf die Kokzidiose und
„Kolibazillose“ (Enteropathogenic Escherichia coli (EPEC)) sowie die Epizootic Rabbit
Enteropathy (ERE) ein. In Bezug auf ERE wurde auf Forschungsergebnisse verwiesen,
die gezeigt hatten, dass eine Futterrestriktion von mindestens -20% der ad-libitum-Menge
des Verzehrs der Kontrolltiere zu einer Reduktion der Mortalität und der Morbidität führte.
Die Suchen nach enterotropen Viren waren alle negativ (Calicivirus, Pestivirus,
Circovirus, Adenovius, Coronavirus und Parvovirus). Folglich wurde zu diesem Zeitpunkt
beschlossen, in Ermangelung neuer Kenntnisse die virologische Forschung auszusetzen.
Kühn ging 2005 in einem Übersichtsreferat, welches auf der 14. Arbeitstagung der DVG
in Zusammenarbeit mit der WRSA gehalten wurde, kurz an ausgewählten Beispielen auf
die Nomenklatur der Mukoiden Enteropathie ein. Demnach wurde sie anfangs
„Enterokolitis“ und später „Mukoide Enteritis“ genannt. Da Anzeichen einer von
Entzündungen fehlen, sollte aber von „Mukoider Enteropathie“ gesprochen werden (siehe
auch „Allgemeine Definitionen“). Auf einer Zusammenkunft einigten sich Wissenschaftler
aus neun betroffen Staaten auf den Begriff „Epizootic Rabbit Enteropathy" (ERE), der
zunehmend für das Krankheitsbild verwendet wird. Übersetzt bedeutet dieser Begriff
sinngemäß „das zeitlich und räumlich gehäufte Auftreten einer Darmerkrankung bei
Kaninchen“. Für eine Annahme als mögliche Ursache für das gehäufte Auftreten der ERE
wurde folgendes vermerkt: „Zunächst wurden Futtermittel für das Auftreten von ERE
verantwortlich gemacht, da Fälle von Erkrankungen in zeitlicher Nähe zu
vorangegangenen Futterumstellungen standen.“. Diese wurde aber verworfen, u. a. weil:
•
sich das Krankheitsbild „weder mit direkt vom Hersteller bezogenen noch mit aus
Silos in betroffenen Betrieben entnommenen Futter reproduzieren“ ließ (ohne
Quellenangabe)
•
„falls ein Bestandteil [des Futters, A. R.] Auslöser der Erkrankung wäre, müsste
diese bei ihrem Fehlen in der Ration verschwinden. Dies ist nicht der Fall.“
•
„Fabrikationsfehler haben sporadisch zu Darmerkrankungen geführt. … Derartige
Einzelfälle können aber kein seuchenhaftes Geschehen erklären, das wie ERE in
ganz Europa auftritt“.
Worauf in dem Referat mit keinem einzigen Wort eingegangen wurde ist die Frage,
warum es überhaupt zu „vorangegangenen Futterumstellungen“ kam, die offenbar den
Europäischen Raum betraf. Dies sei hier nachgeholt: „1997 und 1998 wurde fünf
Antibiotika die Zulassung entzogen und deren Verwendung in Futtermitteln verboten
(Avoparcin, Zink-Bacitracin, Spiramycin, Virginiamycin und Tylosin-Phosphat), um die
Resistenz gegen zu therapeutischen Zwecken eingesetzte Antibiotika senken zu helfen.“
(EU-MEMO, 2002). Verboten wurden die Antibiotika in der Europäischen Union, weil sie
zu Arzneimittelverbindungen gehören, die auch in der Humanmedizin eingesetzt werden.
Bacitracin und Tylosin wurden z. B. für Kaninchen empfohlen (Licois, 2004). Ab Januar
2006 durfte schließlich auch „Flavophospholipol“, welches bis dahin noch in
Kaninchenfutter erlaubt war, nicht mehr eingesetzt werden. Das heißt, im Gegensatz zur
Feststellung von Kühn, 2005 könnte durch Futterumstellungen in Europa durchaus auch
ein seuchenhaftes Geschehen in Europa ausgelöst werden. Werden in anderen
Regionen der Welt ähnliche Entscheidungen getroffen, kann es auch dort zu ähnlichen
Erkrankungen kommen (siehe hierzu später bei Rodríguez-De Lara et al., 2008 für
Mexiko). Einen geschichtlichen Abriss zum Einsatz von Antibiotika in Tierfuttermitteln
liefert eine Übersichtsarbeit von Kirchhelle, 2018.
Ebenfalls auf der 14. Arbeitstagung der DVG im Jahr 2005 stellte G. Rossi
Untersuchungsergebnisse vor, die das Vorkommen von E. coli und C. perfringens
betrafen. Waren es im Frühjahr 2002 noch 60% der Kaninchenbestände, die mit
Darmlähmung (ERE) zu kämpfen hatten, waren zum Winterende 2005 bereits 85% der
betreuten Bestände betroffen. Dazu hieß es: „Vormals E. coli-Problembestände senden
heute Tiere mit Darmlähmung, assoziiert mit Cl. perfringens. Im Prinzip ist die
Darmlähmung nicht auf Bestände beschränkt, die zuvor schon Dysenterieprobleme
hatten.“.
Gallois et al., 2007 fanden in einer Untersuchung zum Thema „Enteropathogene
Escherichia coli“ (EPEC), dass später entwöhnte Kaninchen (35 Tage im Vergleich zu 21
Tagen) später und nicht so häufig erkrankten und verstarben. Die Mortalitätsrate in der
frühen Absetzgruppe betrug 36% und in der später entwöhnten 20%. Bei erkrankten
Tieren konnte eine starke Anhaftung (Adhäsion) der Bakterien an die Enterozyten des
Darmephitels mit den entsprechenden Läsionen beobachtet werden, wie sie für EPEC
typisch sind. Als Symptome wurden Lethargie, Gewichtsverlust, Anorexie und starker,
wässriger Durchfall verzeichnet.
Bild 1 Sinnbildliche Darstellung der Wirkung pathogener Bakterien und ihrer Gifte auf die
Darmwand
Rodríguez-De Lara, et al. berichteten 2008 von einer Häufung des Auftretens von
Darmerkrankungen bei Kaninchen seit 2001/2002 in verschiedenen Mastbetrieben in
Mexiko mit Symptomen, die denen der ERE in Europa ähnelten. Als Ergebnis der
eigenen Untersuchungen schrieben die Autoren: „The disease was multifactorial and
consisted of sub-acute mucoid enteropathy probably induced by viral infection and
aggravated by the proliferation of opportunistic pathogens common to rabbits.“. Eine
Infektion mit Rota-Viren wurde trotz negativen Nachweises nicht ausgeschlossen.
Hingewiesen wurde auf eine Studie von Nieddu et al., 2000 in der zwischen 1982 und
1999 eine elektronenmikroskopische Studie an Kaninchen mit Enteropathie durchgeführt
wurde. Sie fanden in 37% der Fälle unterschiedliche Viruspartikel, so z. B. Rotavirus-
ähnliche, Corona-, Parvo- und Enteroviren, außerdem gab es Zufallsfunde von Adeno-,
Calici- und Reoviren. Diese Autoren wiesen zudem darauf hin, dass mehr als ein Virus
mit schleimiger, hämorrhagischer und nekrotischer Enteritis assoziiert sein könnte. Das
Rotavirus wurde von verschiedenen Wissenschaftlern mit ERE in Verbindung gebracht,
obwohl es als ein Erreger von mäßiger Pathogenität gelte. Eine hohe Sterblichkeit trete
aber dann ein, wenn andere Erreger wie Parasiten und Bakterien mit diesem assoziiert
sind. Die niedrigen Gamma-Globulin-Werte bei Kaninchen, die einen Durchfallausbruch
überlebten, deuteten auf eine defekte Wirtsabwehr hin, die wahrscheinlich die Folge einer
chronischen Krankheit war, aber der Mechanismus, der dabei eine Rolle spielte, ist
unbekannt. Die allgemeinen Merkmale des Verlaufs und der Darstellung der Ausbrüche
deckten sich mit der Beschreibung der europäischen Ausbrüche der ERE insbesondere
im Hinblick auf die Ansteckungsgefahr, die rasche Ausbreitung, der Persistenz, den
klinischen Anzeichen, der Pathologie, der Immunsuppression, dem unwirksamen
Ansprechen auf Behandlungen und der hohen Mortalität. Für ein besseres Verständnis
der spontanen Entwicklung, Pathologie und Pathobiologie der Krankheit wurde u. a.
empfohlen, angemessene Programme für das Management, die Immunstimulation,
Prophylaxe, Hygiene und Ernährungspraktiken in Betrieben einzuführen, die von der
Krankheit betroffen waren. In Mexico durften, bis auf bestimmte Ausnahmen, AGP’s
(antibiotic growth promoter = antibiotische Wachstumsförderer = Antibiotika) in
Futtermitteln für Tiere ab 2006 nicht mehr eingesetzt werden.
Lavazza et al., 2008 untersuchten aus einem Zeitraum von 2002-2007 Proben von 243
Kaninchen, die eine katharrale, hämorrhagische oder nekrotische Entero-Typhlitis
(Blinddarmentzündung) und/oder typische Anzeichen von Mukoider Enteropathie und
Zäkum-Impaktionen aufwiesen. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die meisten
Fälle von Kaninchenenteritiden wahrscheinlich mehrere Ätiologien aufweisen. Die
Feststellung, dass keine spezifischen Krankheitserreger mit Kaninchenenteropathien in
Verbindung gebracht werden können hat zu der Hypothese geführt, dass der
"Kaninchenenteritis-Komplex" ein multifaktorielles Syndrom mit synergetischen
Mechanismen ist, die oft die Pathogenität der verschiedenen Mikroorganismen
verstärken. Unter den verschiedenen Viren, die bei Kaninchen, die an Enteropathie
leiden, gefunden werden konnten, scheint das Rotavirus eine wichtige, wenn auch nicht
primäre Rolle zu spielen. Es verursacht Schäden an der Schleimhaut und prädisponiert
so die Anheftung und Vermehrung von Bakterien. In diesem Fall ist ein dosisabhängiger
Effekt möglich, sowie eine vorübergehende Infektion und eine kurze
Ausscheidungsdauer, wodurch der Nachweis von Viren in Verbindung mit E. coli,
Clostridium spp, Kokzidien und anderen Protozoen möglich wird. Die Situation der
intensiven Kaninchenzucht sei gekennzeichnet durch eine intensive genetische
Selektion, übertriebene Produktionsleistungen, zeitweise Überbevölkerung und folglich
eine hohe Umweltbelastung mit fakultativen Krankheitserregern. Daher könnten Viren
und andere schwach pathogene Erreger (z.B. Flagellaten) eine wichtigere Rolle für das
Auftreten schwerer Enteritis beim Kaninchen spielen, indem sie mikrobielle
Sekundärinfektionen prädisponieren und verschlimmern. Andererseits könne nicht
ausgeschlossen werden, dass die veränderten physiologischen und metabolischen
Bedingungen, die durch verschiedene Faktoren, ob ernährungsbedingt oder nicht, die
Replikation von Viren verstärken können, so dass sie eine pathogene Wirkung entfalten.
Romero et al., 2009 befassten sich in ihren Untersuchungen mit dem NDF-Gehalt des
Kaninchenfutters sowie dem Absetzalter von jungen Kaninchen und deren Einfluss auf
die Proliferation von Clostridium perfringens im Blinddarm sowie die Maststerblichkeit bei
Zuchtkaninchen, die in einer von ERE betroffenen Anlage gehalten wurden. Ein
signifikanter Effekt (P < 0,001) der Wechselwirkung zwischen dem Alter bei der
Entwöhnung, der Art des Futters und der Versuchsperiode auf die Clostridium-Gehalte 14
Tage nach der Entwöhnung wurde festgestellt, da Kaninchen, die später entwöhnt
wurden, niedrigere Clostridium-Zahlen aufwiesen, insbesondere, wenn sie mit NDF-
ärmeren Futter (330 g/kg Futter) gefüttert wurden. Die Ergebnisse deuteten darauf hin,
dass hohe Vorkommen von C. perfringens im Verdauungstrakt mit klinischen Symptomen
von ERE und Mortalität assoziiert sind. Die Studie klärte jedoch nicht, ob die hohen
Vorkommen die Ursache oder die Wirkung waren. Trotzdem wurde eine Begrenzung der
NDF in der Nahrung auf etwa 330 g/kg Futter und eine Verlängerung des Zeitraumes bis
zum Absetzen der Jungtiere vorgeschlagen, um die Proliferation von Cl. perfringens zu
kontrollieren und auch die Mortalität auch unter schlechten hygienischen Bedingungen zu
senken.
Der Ergebnisse von Romero et al., 2009 zur verlängerten Säugezeit wurden schon in
früheren Arbeiten anhand der Wirkungen der Capryl- und Laurinsäure bestätigt, die in der
Kaninchenmilch enthalten sind. Skřivanová & Marounek wiesen 2002 nach, dass die
Milch des Kaninchens über einen antimikrobiellen Effekt verfügt und die Sterblichkeit
junger Kaninchen senken kann. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnte die Sterblichkeit
von 16,7% auf 0% gesenkt werden, wenn 1 kg Futter 5 g Caprylsäure zugemischt wurde.
In einem 2. Versuch in einem anderen Betrieb mit dem gleichen Futter sank die
Sterblichkeit von 9,3% auf 2%. Skřivanová et al, 2005 ermittelten die Empfindlichkeit von
Clostridium perfringens gegenüber C2-C18-Fettsäuren: Laurinsäure wies unter den
getesteten Fettsäuren die höchste Aktivität gegenüber C. perfringens auf. Ihre Aktivität
wurde nicht durch das Vorhandensein von festen Partikeln beeinflusst und ließ auch bei
einem pH-Wert von > 6 nicht nach. Das heißt, die Kaninchenmilch verfügt neben ihrem
Nährstoffgehalt auf Grund ihrer Inhaltsstoffe auch über einen protektiven Einfluss auf die
Gesundheit wachsender Kaninchen. Werden Jungtiere früh abgesetzt (z. B. nach 4
Wochen), ist dieser Schutz im geringeren Maß vorhanden.
Bild 2 Ein junges Wildkaninchen versucht im Alter von ca. 8 Wochen, bei der Mutter noch
etwas Milch zu bekommen
De Blas et al., 2012 schrieben in einer Übersichtsarbeit, dass das Absetzen eine
Stressperiode für junge Kaninchen darstellt, die durch abrupte Änderungen der
Ernährung und der Umwelt verursacht wird. Ein unreifes Immunsystem zusammen mit
einer vorübergehenden Abnahme der Nährstoffverdaulichkeit bringe das Tier in
ungünstige Bedingungen, in denen Verdauungspathologien auftreten können. Zudem
hatte in den letzten Jahren das europäische Verbot von antibiotischen
Wachstumsförderern in Tierfuttermitteln das Entwöhnungsmanagement für Landwirte
wegen der weit verbreiteten und häufigen neu auftretenden Tierkrankheiten sogar
erschwert. Obwohl die Ätiologie dieser Krankheit noch unbekannt sei, könne die
Verbreitung von Clostridium perfringens eine Folge der ERE sein und mit der hohen
Sterblichkeit durch diese Krankheit in Verbindung gebracht werden. Obwohl sich mehrere
Antibiotika gegen ERE als wirksam erwiesen hätten, müssten alternative Lösungen zur
Bekämpfung der Krankheit gefunden werden, um die geltende EU-Gesetzgebung zu
erfüllen. Anhand von unglaublich vielen Quellen wurde auf verschiedene Punkte
eingegangen, die Darmerkrankungen verursachen. Da Antibiotika in Futtermitteln
„umstritten“ seien, wurde das Augenmerk auf einen optimalen Level der löslichen Fasern
gelenkt (Fruktane, Galaktane, ß-Glucane, Pektine). Als weiterer wichtiger Punkt wurden
Aminosäuren erwähnt, die u. a. der Erneuerung und dem Wachstum der
Darmschleimhaut dienen. Dem Züchter nützen solche Informationen natürlich nur wenig,
weil er sie mit seinem Futter nicht mitgeliefert bekommt. Eine späte Entwöhnung würde
auch eine bessere Anpassung der Verdauungs- und Absorptionsfähigkeit junger
Kaninchen an die Aufnahme von festem Futter bedeuten, da sowohl die Amylase- als
auch die Disaccharidaseaktivität mit dem Alter zunimmt, aber von 25 bis 35 Tagen niedrig
bleibt. Infolgedessen steigt der Stärkefluss, der das Ileum bei jungen Kaninchen erreicht,
mit dem Stärkegehalt im Futter an, was mit einer höheren Sporulation und
Enterotoxinproduktion durch C. perfringens und mit einer höheren Durchfallhäufigkeit in
der Mastzeit in Verbindung gebracht wurde. Ergebnisse aus anderen Studien deuteten
auf eine Übertragung der Immunkompetenz auf die jungen Kaninchen durch die Milch
oder die Plazenta der Muttertiere hin. Zudem schienen Ergebnisse aus Untersuchungen
die Existenz einer Beziehung zwischen Umwelt, der Verbreitung von C. perfringens im
Darm und der Inzidenz des ERE zu bestätigen.
Bäuerl et al., 2014 untersuchten Unterschiede der Blinddarm-Bakterienkultur von
gesunden Tieren, die unbehandelt und mit Antibiotika versorgt wurden im Vergleich zu
Tieren, die an ERE erkrankt waren. Die gewonnenen Daten untermauerten die These,
dass die ERE-Morbidität und -mortalität möglicherweise durch eine Übersiedelung des
Darms von Tieren mit verschiedenen Krankheitserregern verursacht wird, deren
Immunabwehrsystem nicht ausreichend zu reagieren scheint.
Von einem Autorenkollektiv um Djukovic, A. wurde 2018 der Fund einer neuen
Bakterienspezies Clostridium OTU172 bei erkrankten Kaninchen vermeldet, die
„Clostridium cuniculi“ genannt wurde. Die identifizierte Spezies produziert mehrere
mutmaßliche Toxine und ist phylogenetisch mit den beiden gut charakterisierten
Pathogenen Clostridium botulinum und Clostridium perfringens verwandt, was die
Autoren eher auf einen infektiösen als auf einen dysbiosebedingten Ursprung der ERE
schließen ließ. Allerdings schlugen Versuche fehl, ERE mit einer Übertragung des
Clostridium OTU172 auf gesunde Tiere zu reproduzieren.
Gidenne et al., 2020 gingen schließlich in der neuesten Ausgabe von „Nutrition of the
rabbit“ auch auf verschiedene Aspekte der ERE ein. Demnach sei die Diagnose von
Darmerkrankungen schwierig, da unabhängig von der Ursache (Ernährungsprobleme
oder ein spezifischer Erreger) die Symptome und Läsionen im Allgemeinen ähnlich sind.
Die Schwierigkeit, die Ätiologie von Darmerkrankungen beim Kaninchen zu erkennen,
würde durch die Tatsache verstärkt, dass wie bei den meisten mehrere Faktoren an
deren Entstehung beteiligt sind:
1.
der Status des Tieres selbst (Alter, Genetik, Immunität).
2.
beteiligte Krankheitserreger (Parasiten, Bakterien, Viren).
3.
Umweltfaktoren, darunter Ernährungs- und Fütterungsfaktoren, Zuchtbedingungen
wie Hygiene, Stress usw.
In der folgenden Tabelle sind einige Informationen über verschiedene Darmerkrankungen
zusammengefasst.
Tabelle 1: Beschreibungen verschiedener Darmkrankheiten bei Kaninchen
Teil 2
Kaninchen würden Wiese kaufen
© A. Rühle: 2008-2022